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Mietkündigung
Wegen unterlassener Zahlung eines Betriebskostenabrechnungssaldos als Nachforderung?
Neben monatlich zu entrichtenden Kaltmieten gehören Betriebskostenvorauszahlungen und Betriebskostenpauschalen als monatlich regelmäßig zu erbringende Leistungen des Mieters mit in die Berechnung eines kündigungsrelevanten Mietrückstandes, wenn es um die Prüfung einer außerordentlich fristlosen oder ordentlich fristgemäßen zahlungsverzugsbedingten Kündigung geht. Umstritten ist, wie mit Nachforderungen aus Betriebsabrechnungen zu verfahren ist.
Der BGH hat sich dazu bislang nicht positioniert, obwohl er mit einem Rechtsstreit befasst ist, der sich um die fristlose Kündigung wegen eines Betriebskostenrückstandes aus einer erteilten Abrechnung dreht: Die Streitgegner hatten sich in der Sache geeinigt und daraufhin in der Hauptsache den Rechtsstreit für erledigt erklärt; der BGH musste nur noch über die Kosten entscheiden (§ 91 a Abs. 1 Satz 1 ZPO).
Die Streitgegner hatten sich in der Sache geeinigt und daraufhin in der Hauptsache den Rechtsstreit für erledigt erklärt; der BGH musste nur noch über die Kosten entscheiden (§ 91 a Abs. 1 Satz 1 ZPO). Er zieht sich auf die Äußerung zurück: „Es ist nicht Zweck einer Kostenentscheidung nach § 91 a Abs. 1 Satz 1 ZPO, Rechtsfolgen von grundsätzlicher Bedeutung zu klären oder das Recht fortzubilden“ (BGH, Beschluss vom 13.8.2024 - VIII ZR 255/21, ZMR 2025, 301, 302 Rn. 12). Den Urteilsgründen (Rn. 13) ist zu entnehmen, dass die Vorinstanz die erklärte fristlose Kündigung für wirksam hielt, während die ganz überwiegende Auffassung dazu eine fristlose Kündigung wegen unbezahlt gebliebener Betriebskostennachforderungen als ungerechtfertigt ansieht (ebenso: OLG Koblenz, NJW 1984, 2369 f; LG Berlin, Urteil vom 20.2.2015 - 63 S 202/14, juris Rn. 5; LG Berlin, Urteil vom 24. 11. 2015 - 63 S 158/15, juris Rn. 4 f; LG Dessau-Roßlau, ZMR 2017, 481, 482 f; OLG Rostock, Urteil vom 9.2.2023 - 3 U 22/21, IMRRS 2023, 0803 Bieber, in: Münchener Kommentar zum BGB, 9. Aufl., § 543 Rn. 46; Volker Emmerich, in Staudinger, Neubearbeitung 2021, § 543 BGB Rn. 68; Mehle, in: BeckOGK-BGB - Stand 1.4.2024, § 543 BGB Rn. 160; Siegmund, in: blank/Börstinghaus/Siegmund, Miete, 7. Aufl., § 543 BGB Rn. 97; Streyl, in: Schmidt-Futterer, Mietrecht, 16. Aufl., § 543 BGB Rn. 165; Weidenkaff, in Grüneberg, 83. Aufl., § 543 BGB Rn. 23; Wiederbold, in: Beck OK-BGB - Stand 1.5.2024, § 543 Rn. 35; Lützenkirchen/Selk, in: Ehrmann, BGB, 17. Aufl., § 543 Rn. 23; Börstinghaus, WuM 2017, 254, 256; Lehmann-Richter, ZMR 2017, 372, 375; Meyer-Abich, NZM 2023, 61, 72; Schwab, NZM 2019, 36, 40 f; zum kombinierten Rückstand von Miete und Betriebskostennachforderungen ausdrücklich: Hinz, WuM 2019, 673, 679 f; Streyl, in: Schmidt-Futterer, a. a. O., Rn. 45; Siegmund, in: Blank/Börstinghaus/Siegmund, a. a. O., Rn. 26).
So im Ergebnis auch das Urteil des LG Berlin vom 15.3.2023 in dem folgenden Fall:
Mit dem Bezahlen hat es Wohnungsmieter M nicht so sehr - er verlässt sich da ganz auf das Jobcenter, das ihm im Rahmen eines Sozialhilfeverhältnisses Kosten der Unterkunft und Heizungsbeihilfe gewährt. Wie in der Praxis häufig bleiben Zahlungen dann auf einmal aus. So auch hier. M zahlt zwei Monatsmieten nicht. Auch die Nachforderung aus einer Betriebskostenabrechnung bleibt er schuldig. Vermieter V kündigt fristlos, hilfsweise fristgerecht, wegen Zahlungsverzugs. Das Jobcenter begleicht nun die offenen Nettomieten einschließlich der Betriebskostenvorauszahlungen, nicht aber den Nachzahlungssaldo aus der Abrechnung. V klagt auf Räumung.
Das LG Berlin (Urteil vom 15.3.2023 - 64 S 180/21, FD-MietR 2023, 457289) weist die Klage ab. Die erklärte fristlose Kündigung (§ 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB) sei durch die vom Jobcenter innerhalb der Schonfrist erbrachten Zahlungen unwirksam geworden. Zur Schonfristzahlung gehörten nur die monatliche Nettomiete zuzüglich der Betriebskostenvorauszahlungen, nicht aber der Nachzahlungssaldo aus der erteilten Betriebskostenabrechnung. Denn hier handele es sich nicht um laufende Mieten im Sinne des §§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BGB (so auch: BGH, Urteil vom 23.7.2008 - XII ZR 134/06, NJW 2008,3 1210; OLG Koblenz, Rechtsentscheid vom 26.7.1984 - 4 W-RE-386/84, WuM 1984, 269). Auch die gemäß § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB erklärte fristgemäße ordentliche Kündigung greife nicht durch. Eine Berufung hierauf sei rechtsmissbräuchlich (§ 242 BGB). Denn das Verschulden des Mieters M an der Entstehung des Kündigungsrückstandes sei als gering zu bewerten; vor allem sei der Kündigungsrückstand nach Zugang des Kündigungsschreibens sofort durch das Jobcenter ausgeglichen worden. Wenn auch die Schonfristzahlung die ordentliche Kündigung nicht erfasse (so auch: BGH, Urteil vom 13.10.2021 - VIII ZR 91/20, NZM 2022, 49), so lasse sie das Verschulden des Mieters doch insgesamt in einem „milderen Licht erscheinen“.
Bislang ist die Frage eines Einbezugs von unbedienten Abrechnungssalden aus erteilten Betriebskostenabrechnungen in den Mietenbegriff streitig.
Das LG Berlin bewertet Betriebskosten als Teil der Miete, so dass die unterlassene Begleichung einer Betriebskostennachforderung eine kündigungsrelevante Pflichtverletzung im Sinne von § 543 Abs. 1 BGB, bzw. § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB darstellt (LG Berlin, Urteil vom 24.11.2015 – 63 S 158/15, zit. nach juris; jetzt auch LG Berlin, Urteil vom 15.3.2023 - 64 S 180/21, FD-MietR 2023,457289; AG Mannheim, Urteil vom 18.7.2023 - 5 C 3319/22, ZMR 2024, 214; LG Frankfurt/Main, Urteil vom 9.6.2023 - 2-11 S 13/23, ZMR 2024, 212; AG Frankfurt/Main, Urteil vom 21.06.2024 - 33052 C 64/24, IMR-online).
Auch in einer älteren Entscheidung sieht das LG Berlin zwar in Nachzahlungen aus Nebenkostenabrechnungen keine laufenden Zahlungen im Sinne von § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BGB, nimmt aber eine Verletzung vertraglicher Hauptleistungspflichten des Mieters durch unterlassene Zahlung einer Nachforderung an und stellt diesen Fall deshalb dem kündigungsrelevant unterlassenen Zahlen der eigentlichen Miete gleich (LG Berlin, Urteil vom 20.2.2015 – 63 S 202/14, IMR 2015, 322). Im Ergebnis handelt es sich nach dieser Ansicht um ein kündigungsrelevantes Unterlassen des Mieters, das zur zahlungsverzugsbedingten fristlosen Kündigung berechtigt.
Die Gegenansicht begreift Nachforderungen aus jährlichen Betriebskostenabrechnungen dagegen nicht als Miete im Sinne des mietrechtlichen zahlungsverzugsbedingten Kündigungstatbestandes. Denn es handele sich bei Nachzahlungsforderungen aus Abrechnungssalden um eine isolierte einmalige Forderung, nicht um eine periodisch wiederkehrende Leistung, die zu bestimmten Terminen fällig werde. Sie regele nur abschließend einen konkreten Abrechnungszeitraum. Beide Kündigungsvarianten in § 543 Abs. 2 Nr. 3 BGB knüpften aber an einen Zahlungsrückstand zu bestimmten „Terminen“ an (Fleindl in: Bub/Treier, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, 5. Aufl. 2019, Kapitel IV Rn. 366). Auf eine Pflichtverletzung des Mieters durch Unterlassen der Nachzahlung wird dagegen nicht abgestellt (OLG Koblenz, Rechtsentscheid vom 26. Juli 1984 - 4 W-RE 386/84, NJW 1984, 2369 = ZMR 1984, 351 = WuM 1984, 269; Lehmann-Richter, Der kündigungsrelevante Zahlungsrückstand, Vortrag im Rahmen des Deutschen Mietgerichtstages 2017, abzurufen unter www.mietgerichtstag.de).
Dazu der Fall des AG Brandenburg, entschieden mit Urteil vom 20.12.2024:
Mieter M erhält von Vermieter V die fristlose Kündigung wegen unbezahlt gebliebener Betriebskostennachforderungen aus den Abrechnungen für die Jahre 2020-2022. M erhebt keine substantiierten Einwendungen gegen die Abrechnungen, zahlt aber trotzdem nicht. V kündigt fristlos und hilfsweise fristgemäß wegen schuldhafter und wiederholter Verletzung der vertraglichen Pflichten. Er stellt sich auf den Standpunkt, V sei zur Kündigung des Mietverhältnisses aufgrund der rückständigen Betriebskostennachzahlungen nicht berechtigt. V erhebt Räumungsklage.
Das AG Brandenburg hält die erklärte Kündigung für wirksam und spricht die Räumungsklage zu (Urteil vom 20.12.2024 - 33 C 33/24, IMR 2025, 59 = BeckRS 2024, 36321 = FD-MietR 2025, 890660). Wenn auch Nachzahlungsforderungen aus Betriebskostenabrechnungen nicht Teil der regelmäßig monatlich zu entrichten Miete seien, sei die fristlos erklärte Kündigung doch gemäß § 543 Abs. 1 BGB gerechtfertigt. Danach kann fristlos gekündigt werden, wenn sich die Fortsetzung des Mietvertrags als unzumutbar erweist. Bei der Herleitung des Unzumutbarkeitsschlusses sei zu berücksichtigen, dass der Vermieter gemäß § 556 Abs. 3 BGB eine Jahresabrechnung schulde, deren Höhe er durch Vorlage der Betriebskostenabrechnung bestimme. Erreichten die unbezahlten Nachforderungen die Höhe von nahezu 2 Monatsmieten, sei dies als erhebliche Pflichtverletzung des Vertrags zu werten (BGH, Urteil vom 28.5.1975 - VIII ZR 70/74 und Urteil vom 20.7.2016 - VIII ZR 263/14, IMMRS 2016, 1353). Ebenso sei die hilfsweise erklärte fristgerechte Kündigung nach § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB gerechtfertigt. Dafür genüge bereits ein Zahlungsrückstand von mehr als einer Monatsmiete und eine Verzugsdauer von mindestens einem Monat (zustimmend: Pramataroff/Bordt, Anmerkung zu AG Brandenburg, Urteil vom 20.12.2024 - 33 C 33/24, in: FD-MietR 2025, 800600).
Hintergrund:
Der BGH hat in einer Entscheidung zur Aufrechenbarkeit von Betriebskostennachforderungen gegen den Kautionsrückzahlungsanspruch des Mieters entschieden, auch bei Betriebskostennachforderungen handle es sich um wiederkehrende Leistungen (BGH, Urteil vom 20.7.2016 – VIII ZR 263/14, DWW 2016, 291 = NJW 2016, 3231 = NZM 2016, 762 = ZMR 2016, 768). Zwar erging die Entscheidung auf der Basis des Verjährungsrechts, doch lässt sie sich für den hier gegebenen Kontext der zahlungsverzugsbedingten Kündigung ebenso fruchtbar machen. Sie spricht entscheidend dafür, nun auch Betriebskostennachforderungen neben Betriebskostenvorauszahlungen und eigentlichen Nettomietforderungen bei der Ermittlung kündigungsrelevanter Rückstände im Rahmen der fristlosen Kündigung zu berücksichtigen.
Und die fristlose Kündigung?
Nochmals: Für die fristlose Kündigung nach § 543 Abs. 1 BGB und für die fristgebundene zahlungsverzugsbedingte Kündigung stellen sich diese Fragen dagegen nicht. Denn hier gibt es keine bestimmten Höhen an eingetretenen Forderungsrückständen, die für eine Kündigung vorausgesetzt sind. Hier geht es nur um eine verschuldensgetragene nicht unerhebliche vertragliche Pflichtverletzung des Mieters. An dieser Annahme kann als Grundlage einer zahlungsverzugsbedingten fristgerechten Kündigung kein Zweifel bestehen, wenn der Mieter Nachzahlungssalden aufgrund einer wirksam erteilten Betriebskostenabrechnung nicht ausgleicht.
Anders ausgedrückt: Eine fristlose Kündigung nach § 543 Abs. 1 BGB kommt je nach der Möglichkeit eines Unzumutbarkeitsschlusses für die Vertragsfortsetzung infrage, eine fristgebundene Kündigung wegen Zahlungsverzugs gemäß § 573 Absatz 2 Nr.. 1 BGB bleibt im Falle unerfüllter Betriebskostennachforderungen immer möglich (ebenso: LG Frankfurt/Main, Urteil vom 9.6.2023 - 2-11 S 13/23, ZMR 2024, 212; AG Mannheim, Urteil vom 18.7.2023 - 5 C 3319/22, ZMR 2024, 214; AG Frankfurt/Main, Urteil vom 21.06.2024 - 33052 C 64/24). Natürlich bedeutet das nicht, dass einem Mieter immer gekündigt werden kann, wenn er den Nachzahlungssaldo nicht ausgleicht. Denn wenn er berechtigt Einwände formeller oder materieller Natur gegen die erteilte Betriebskostenabrechnung führen kann, muss er im Ergebnis auf diese Abrechnung auch nicht zahlen (dazu im Einzelnen: BGH, Beschluss vom 24 Januar 2017 - VIII ZR 285/15, IMR 2017, 182). Dann aber kann er auch nicht in Verzug geraten, bzw. begeht mit der unterlassenen Zahlung auch keine Pflichtverletzung.
Fazit:
Eine erteilte Betriebskostenabrechnung ist immer als Vorfrage daraufhin zu überprüfen, ob sie formell und inhaltlich sowie innerhalb der Abrechnungsfrist korrekt ausgefertigt und zugestellt wurde.
Rechtsanwalt Dr. Hans Reinold Horst, Hannover / Solingen






