Energiewende II

Giftcocktail „EU-Gebäuderichtlinie zu den Mindestanforderungen an die Gesamtenergieeffizienz“

Schon seit 2021 wird nach dem „Green Deal“ im Dezember 2019 über das „wohnungswirtschaftliche Schreckgespenst aus Brüssel“, den drastisch verschärfenden Entwurf der EU-Gebäudeenergie-Effizienzrichtlinie (Energy Performance of Buildings Direktive - EPBD), geredet.

Jetzt aber wird es richtig ernst. Die Grundidee der Verordnung: Verpflichtende energetische Mindeststandards für Gebäude werden deutlich verschärft und mit einer je nach Gebäudeart und Gebäude-Energieklasse zeitlich gestaffelten Sanierungspflicht unterlegt.

Die Zeitschiene

Am 30. Januar 2023 hat sich das Europäische Parlament (EP) auf einen Kompromiss zur Neufassung der Richtlinie geeinigt; der Ausschuss für Industrie, Forschung und Wirtschaft (ITRE) des EP tagte dazu am 9. Februar 2023. Der Kompromissentwurf wurde mit deutlicher Mehrheit angenommen. Damit wird die Richtung vorgegeben - energetische Anforderungen an Gebäude (Gebäudekörper und Heiztechnik) sollen deutlich verschärft werden. Das Plenum des EP wird vom 13. bis zum 16. März 2023 zu dem Kompromissentwurf beraten, danach stehen die „Trilog-Verhandlungen“ zwischen dem EP, dem Rat und der Europäischen Kommission an.

Der Inhalt

Der Gebäudebestand wird auf europäischer Ebene in die Energieklassen A bis G eingeteilt. Aktuell kann der geplante Richtlinieninhalt wie folgt skizziert werden:

  • Im Neubausektor sollen Null-Energiegebäude ab 2028 Standard werden, neue öffentliche Gebäude ab 2026 emissionsfrei sein. Das wird auch mit einer neuen Heiztechnik allein nicht zu stemmen sein; besondere Dämmaßnahmen an der Gebäudehülle einschließlich Fenster, Türen und Dach werden ergänzen müssen.
     
  • Auch für den Immobilienbestand werden Mindestanforderungen an die Gesamtenergieeffizienz für Gebäude (MEPs) verschärfend formuliert wie folgt:

    • Bei den Wohngebäuden müssen die Energieklassen E, F und G bis 2033 bis zur erreichten Energieklasse D durch Sanierungen / Modernisierungen verpflichtend ertüchtigt werden.
    • Bei Gebäuden mit anderer Nutzung einschließlich öffentlicher Gebäude muss bis 2027 mindestens die Energieeffizienzklasse E und bis 2030 die Energieeffizienzklasse D erreicht werden. 15 % des Gebäudebestandes mit der schlechtesten Energieeffizienz müssen bis 2030 saniert werden, 25 % bis 2034.
    • Für bestehende Gebäude sollen dazu Renovierungspässe ausgegeben werden.

  • Energieausweise sollen mit neuer Skalierung und kürzeren Laufzeiten versehen werden, um die energetische Gebäudesanierung zu beschleunigen. Sie sollen spätestens zum 31. Dezember 2025 eingeführt werden.

  • Ein besonderer Stellenwert soll dabei der Schaffung von Elektromobilität zukommen.

  • Verbot fossiler Heizungstechnik:

    • Über das jetzt bestehende und aktuell diskutierte zukünftige nationale Recht (geplante Novelle eines GEG - „Habeck-Entwurf“) hinaus sieht der Richtlinienentwurf ein Verbot fossiler Heizungsanlagen in neu zu errichtenden Gebäuden sowie in Bestandsgebäuden vor, die einer größeren Renovierung, einer tiefgreifenden Renovierung oder Erneuerung der Heizungsanlage unterzogen werden. Gerade dies soll bereits ab dem Zeitpunkt der Umsetzung der EPBD in nationales Recht gelten. Für den Immobilienbestand heißt das: noch dürfen rein fossile Energieträger verwendet werden, jedoch nicht mehr dann, wenn die Heizung erneuert wird oder eine größere Renovierung des Hauses oder der Heizanlage ansteht. Der Richtlinienentwurf geht hier also weit über die deutsche Sichtweise hinaus.
    • Nicht wie in Deutschland bis 2045, sondern bis 2035 sollen Heizungssysteme mit rein fossilen Energieträgern im Immobilienbestand schrittweise abgeschafft werden. Nur wenn ein Staat nachweisen kann, dass dies bis 2035 nicht bewerkstelligt werden kann, soll eine verlängerte Frist bis 2040 möglich sein.

  • Die Richtlinie soll vor allem durch nationale Gebäudesanierungspläne, flankiert von Förderungen, umgesetzt werden. Woher die „Fördertöpfe“ kommen sollen, bleibt - natürlich - unklar.

  • Besondere Umsetzungsfristen enthält der Richtlinienentwurf auch für Solartechnik.

    • Für alle neuen Wohngebäude einschließlich überdachter Parkplätze wird eine Solardachpflicht zum 31. Dezember 2028 eingeführt, für bestehende Gebäude, die einer größeren Renovierung unterzogen werden, gilt der Stichtag bis zum 31. Dezember 2032.
    • Für alle neuen übrigen Gebäude einschließlich neuer öffentlicher Gebäude ohne Wohnnutzung soll die Solardachpflicht ab Inkrafttreten der geänderten EPBD, für den Immobilienbestand in diesem Segment ab dem 31. Dezember 2026 gelten.

Änderungen zu dem vorgestellten Inhalt sind möglich. Insbesondere die EVP-Fraktion im Europaparlament hat weiteren Beratungsbedarf angemeldet. Änderungsanträge können deshalb zur Plenarabstimmung noch mit eingereicht werden.

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Auswirkungen auf Neubau und Immobilienbestand

Die aktuell bekannten Vorstellungen aus Brüssel führen dazu, dass 45 % der Wohngebäude in Deutschland innerhalb von 9 Jahren saniert werden müssen. Technische Machbarkeit und wirtschaftliche Belastung spielen für die Europäische Union keine Rolle. Vorsichtigen Schätzungen zufolge kostet der so definierte Sanierungsaufwand zwischen 125 und 182 Milliarden € pro Jahr.

Öffentliche Sozialwohnungen können auf nationaler Ebene durch die Mitgliedstaaten von den gebäudeenergetischen Anforderungen befreit werden; dies aber nur dann, wenn die aufgegebenen Renovierungen nicht kostenneutral sind oder wenn sie zu Mieterhöhungen führen, ohne das dies durch Energieeinsparungen kompensiert werden kann. Jedem, dem die Mietpreisbildung im preisgebundenen und öffentlich geförderten Wohnungsbau geläufig ist, weiß, dass es immer zu Mieterhöhungen kommen wird, wenn es nach Umsetzung dieser Baumaßnahmen um die Neuberechnung der Kostenmiete als Ergebnis einer Wirtschaftlichkeitsberechnung geht. Für ihre eigene Rolle als Eigentümer von Sozialwohnungen wird damit den Mitgliedstaaten eine entspannende Nische zuteil, die „Zeche zahlen“ muss der gesamte Rest nicht-öffentlicher Gebäudeeigentümer!

Die geforderten neuen Energieausweise führen ebenfalls zu hohen Aufwänden. Denn nicht nur sie selbst müssen geändert werden, sondern auch die darauf beruhende Förderung nach bisheriger Gesetzgebung.

Insgesamt führen die Pläne einer so drakonischen energetischen Ertüchtigung mit entsprechenden Sanierungspflichten zu einer Kostenexplosion. Sie ergibt sich unabhängig davon, ob es sich um Wohngebäude oder anders genutzte Gebäude handelt, ob es sich um einzelne Haushalte oder um Großunternehmen handelt, oder ob es um private oder öffentliche Gebäude geht. Ohne Belang bleibt auch, ob die Gebäude vermietet sind oder privat genutzt werden.

Genauso vernachlässigt wird die Frage, ob die verlangte Sanierung / Modernisierung unter Berücksichtigung des Lebenszyklus des Gebäudes überhaupt angezeigt ist. Gerade dieser Umstand führt zusätzlich zu stark erhöhten Kosten.

Überhaupt keine Rolle soll die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Gebäudeeigentümer spielen. Dies ist für ältere Gebäudeeigentümer und für hochverschuldete Eigentümer besonders fatal. Denn in beiden Fällen wird es entweder keine Kredite oder nur Kredite zu sehr hohen Konditionen geben können. Wenn aufgrund der Modernisierungspflichten der anzunehmende Verkehrswert und damit auch der Beleihungswert der Immobilie nach unten erodiert, wird dieser Effekt zusätzlich verstärkt.

Es bleibt die Gretchenfrage für den, der all das nicht stemmen kann: Was passiert mir mit meinem Haus, wenn ich die Vorgaben der EU-Gebäude-Energie-Effizienzrichtlinie nicht einhalte? Ein Verkaufs- und / oder Vermietungsverbot? Ein Nutzungsverbot für mich selbst? Ein - wahrscheinlich saftiges - Bußgeld? Die staatlich erzwungene Zwangssanierung mit Eintrag einer „Aufbauhypothek“ im Grundbuch (als staatlich gelenkte und verordnete Maßnahme aus DDR-Zeiten bekannt - „ökonomischer Zwang“ - mit der Folge einer Rückführung der so entwundenen Immobilien über die damalige Restitutionsgesetzgebung)? Oder gar eine Enteignung?

Diese „Details“ sollen im Rahmen der Umsetzung in nationales Recht geklärt werden. Der Verordnungsentwurf bestimmt dazu in seinem Artikel 31 lediglich: „Die Mitgliedstaaten legen fest, welche Sanktionen bei einem Verstoß (...) zu verhängen sind, und ergreifen die zu deren Durchsetzung erforderlichen Maßnahmen.“.Damit entscheidet Deutschland über die Folgen einer verpassten Energieoffensive. Wie auch immer: Im Ergebnis wird dies in einer Vielzahl von Fällen zu einer wirtschaftlichen Enteignung und damit zu einem hochexplosiven sozialen Sprengstoff führen - alles im Dienste eines völlig überzogenen Klimaschutzes, den niemand mehr stemmen kann?

Rechtsanwalt Dr. Hans Reinold Horst, Hannover/Solingen